Rezension zur „Weißen Rose“

Am 29.04.2013 erschien in der Märkischen Oderzeitung der folgende Artikel zur Premiere der Inszenierung „Weiße Rose“ (Text von Jens Sell, Bild von Sören Tetzlaff).

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Zentrale Botschaft „Wachbleiben!“

 

Bad Freienwalde (MOZ) Bewegend und berührend, aber auch anstrengend. So charakterisieren Zuschauer nach der Premiere das aktuelle Stück der Wanderoper Brandenburg „Weiße Rose“. Komponist Udo Zimmermann wertete die Aufführung als großartig.

Mehr als 200 Inszenierungen der Oper „Weiße Rose“ von 1968, 1986 überarbeitet zu „Szenen für zwei Sänger und 15 Instrumentalisten“ gibt es bereits. „Ich habe schon über 100 gesehen und bin sehr gerührt“, sagte Komponist Udo Zimmermann am Schluss der jüngsten Premiere im Kurtheater Bad Freienwalde.

Die Instrumentierung mit wenigen Streichern, einem Piano und einem Holzbläser hatte Bernd Wefelmeyer besorgt. Zimmermann, darauf angesprochen, lobte: „Das ist in der Tat eine Weltpremiere. Sie haben versucht, mit noch weniger mehr zu erreichen, und das ist gelungen“, und gratulierte dem musikalischen Leiter Peter Aderhold, der vom Keyboard aus dirigierte. Dabei hatte Aderhold an den Tasten gut zu tun. Zimmermanns expressive musikalische Darstellung faschistischer Gewalt in abgehackten, dissonanten Halbtönen aus Streichern und Klavier forderte die Musiker und Zuhörer gleichermaßen.
Und auch die Darsteller werden in dieser Kammeroper bis an die Leistungsgrenze gefordert. Mit großem stimmlichen und körperlichem Aufwand brilliert einmal mehr Nora Lentner. Gestisch sparsamer, aber nicht weniger intensiv Erwin Belakowitsch. Die Zerrissenheit, das blanke Entsetzen mit dem Tod vor Augen, der feste Halt in Gedanken an die Eltern, die Kraft und das Elend derer, die antifaschistischen Widerstand mit dem Leben bezahlten. Mit einem jungen Leben, das die Schönheit der Erde schätzt und preist und auffordert, gegen Barbaren aufzustehen: „Wachbleiben, Wachbleiben, Wachbleiben!“, skandiert Belakowitsch. „Nicht mehr schweigen, nicht mehr schweigen, nicht mehr schweigen“, rufen beide. Hans Scholl zitierte auch eindringlich die Worte des Vaters: „Nicht abseits stehen, weil es abseits kein Glück gibt. Weil es ohne Wahrheit kein Glück gibt.“ Librettist Wolfgang Willaschek schöpfte seine Verse aus den Tagebuchaufzeichnungen und Briefen der Geschwister Scholl.
„Weiße Rose“ ist kein gefälliges, leicht konsumierbares Stück. Es ist Äonen entfernt von den Hörgewohnheiten heutiger junger Menschen. Dennoch schade, dass kaum Jugendliche im Kurtheater Platz genommen hatten, dass viele Stühle leer blieben. „Schwere Kost, sehr anstrengend, aber auf sehr hohem Niveau“, faste eine ältere Besucherin ihren ersten Eindruck zusammen. „Das ist ein Teil unserer Geschichte und in dieser Form sehr anspruchsvoll umgesetzt“, sagte Anneliese Terketzki aus Bad Freienwalde.
Kulturstaatssekretär Martin Gorholt (SPD) würdigte das hartnäckige Bemühen der Wanderoper Brandenburg mit Intendanten Arnold Schrem an der Spitze, zeitgenössisches Musiktheater in die Schulen zu bringen: „Es ist Teil der kulturellen Bildung, und angesichts des Mangels an festen Theatern gerade hier im ländlichen Raum ist eine Wanderoper die ideale Methode, die Schulen und Schüler damit zu erreichen.“ Nach dem Premierenapplaus mit Bravo-Rufen sah sich Gorholt mit der eindringlichen Forderung konfrontiert: „Das Stück ist so gut gemacht und so aktuell, das müsste durch die ganze Republik ziehen!“ Der sie erhob, war Christoph Felsenstein. Als Sohn des legendären Intendanten der Komischen Oper Berlin, Walter Felsenstein, ist er auf dem Theater großgeworden und hatte zunächst Schauspieler gelernt und als solcher vor allem beim Fernsehen gearbeitet. Später wechselte er gründlich das Fach und wurde Kapitän auf großer Fahrt. „Ich bin begeistert von der Aufführung“, sagte Felsenstein nach dem Schlussapplaus, und, an Martin Gorholt gewandt: „Sie haben die Fördermittel sehr gut angelegt.“