Die ZAUBERFLÖTE ist eine Oper, die sich eindeutiger Etikettierung und Interpretation entzieht. Zu vieles ist in sie eingeflossen: mehrere Vorformen als Kunstmärchen, die Gedanken- und Symbolwelt der Freimaurer, die stürmischen politischen Verhältnisse, in denen alle Hoffnung der aufgeklärten bürgerlichen Kräfte an Joseph II. hing und alle Sorge um Rückfall in den Absolutismus sich mit Maria Theresia verband, eine Geschichte des Erwachsenwerdens zweier Kinder, eine Geschichte vom dornigen Weg der Aufklärung, aber auch von der Befriedung der zerrissenen Welt , der Überwindung des „Kalten Krieges“ in neue Harmonie durch das in Prüfungen bewährte und durch Liebe gerechtfertigte „Hohe Paar“. Ebenso aber steckt auch das Wiener Vorstadttheater mit seinen Hans -Wurstiaden in ihr und das Maschinen- und Zaubertheater des Barock.
Im Märchengewand werden Antinomien wie Mann-Frau, gut-böse, Nacht-Tag, Natur-Kultur,
Sonne- Mond, Liebe- Haß, die Ur-Pole aller menschlichen Existenz, behandelt und verhandelt.
Durch das Märchengewand bleiben alle diese Bestandteile und Themen in ihrer Vieldeutigkeit und Hintergründigkeit erhalten und sind doch zu einer wunderbar einheitlichen Geschichte verschmolzen.
Die Vielzahl der Themen und Formen, die Bestandteile der ZAUBERFLÖTE sind, machen eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen und Interpretationen möglich, auch sehr gegensätzliche. Mal wird es als Befreiung, mal als Gleichschaltung gewertet, mal geht es um den Sieg des Guten, mal wird Verfestigung des Unrechts diagnostiziert, mal als farbenfrohes Familien-Märchen, mal als abstrakte Ideen-Oper.
Ich möchte diesen vielen möglichen Interpretationen des Stoffes keine weitere, gar „noch nie dagewesene“ oder „brandaktuelle“ hinzufügen, sondern möchte sie so erzählen, dass möglichst viele ihrer Bestandteile erhalten bleiben , sich gegenseitig bereichern und ergänzen.
Es soll ein Märchen bleiben, das immer mehr „wirklich“ wird, mit Zauberei beginnt und mit praktischer Vernunft, vor allem aber mit Liebe endet, das „irgendwo“ spielt, dessen Menschen uns aber erstaunlich nahe sind.
Und ich glaube, dass diese Geschichte eine Tendenz zum Guten hat: zuerst von der Frau zum Mann, von der Nacht zum Tag, von der Natur zur Kultur, vom Zaubern zum Bauen, vom Absolutismus zur Freiheit, am Ende aber über alle künstliche und feindselige Spaltung hinweg zu neuer Harmonie: zum Menschen als Mann und Frau, als Wesen von Natur und Kultur, von Tag und Nacht geprägt und ihrer bedürfend.